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Vor verschlossenen Türen

Tatsächlich, es ist da. Das Jahr 2021 ist gestartet, auch wenn es vielleicht manch einer mangels Feuerwerk und Knallerlärm noch gar nicht mitbekommen hat. Kaum zu glauben, dass wir wirklich im neuen Jahr angekommen sind, nachdem sich 2020 mit seinen vielen Herausforderungen gegen Ende doch ganz schön gezogen hat. 

 

Wir haben mit 2020 ein Jahr verabschiedet, das uns viele Veränderungen und verwirrende Wegführungen beschert hat. Voller Vorfreude und Optimismus waren wir im September in unsere Kandidatenzeit gestartet, nur um dann vor einem Stoppschild nach dem anderen zu stehen - und zu warten. Dass es 2021 gerade so weiter gehen sollte, hatten wir nicht erwartet.

Doch dazu später mehr.

Throwback.

Zunächst wollen wir ein bisschen davon erzählen, wie es uns in den letzten Wochen hier in Brighton ging und was wir erlebt haben. Seitdem wir mehr oder weniger Hals über Kopf Anfang November 2020 hier angekommen sind, ist schon wieder einige Zeit vergangen und neue Dinge haben sich ergeben.

Wir durften in dieser Zeit weiterhin ganztags von Montag bis Freitag die Sprachschule besuchen, worüber wir sehr glücklich waren. Aufgrund der Situation im Land war dies alles andere als selbstverständlich und für uns auch die einzige Möglichkeit, soziale Kontakte zu haben, Menschen zu treffen. Durch den sehr intensiven und zuletzt auch besser auf uns abgestimmten Unterricht konnten wir einige Fortschritte machen. Und trotzdem spüren wir in den letzten Wochen auch zum ersten Mal so richtig, was es bedeutet in einer fremden Kultur zu leben und zu arbeiten. 

 

Von der Schule kamen wir oft müde und erschöpft nach Hause. Zu Hause hieß es dann Stoff wiederholen, Vokabeln lernen, Ordnung in das Arbeitsblätter-Chaos bringen. Mit Frustration umgehen, die Nachrichtenlage checken, Kontakte in die Heimat pflegen und Möglichkeiten vor Ort suchen, wo wir mitarbeiten können. Das alles auf engem Raum, ohne richtige Privatsphäre und in der dunklen Jahreszeit (die in England sehr regnerisch aussieht), war nicht immer einfach für uns.

Nicht nur Weihnachtsbeleuchtung

Umso dankbarer waren wir für ein paar kleine Lichtblicke, die sich ergeben haben. Es waren nicht die großen Veränderungen, die kamen und auf einmal alles toll gemacht haben. Und es kam auch nicht genau so, wie wir uns es vorgestellt und erhofft hatten. Aber es gab einzelne Momente, die uns Freude gemacht haben und Begegnungen, die uns neue Hoffnung geschenkt haben. Erlebnisse, die uns ein bisschen von der Schwere genommen haben, die wir in der letzten Zeit oft empfunden haben.

Davon ein paar Schlaglichter:

 

Freundschaften

Die Schule war für uns die einzige Möglichkeit soziale Kontakte zu haben. Auch wenn sich wegen Corona nur eine Hand voll Kontakte ergeben haben, so waren die, die wir hatten, umso intensiver und in einer Art hat uns die gemeinsame Zeit hier als Sprachtouristen in Brighton zusammengeschweißt. Durch die gemeinsamen Mittagessen und viele Gesprächsübungen sind wertvolle Kontakte und Freundschaften entstanden. Das hat es uns auch ermöglicht, mal einzeln mit Leuten unterwegs zu sein und nicht immer als Paar aufeinander zu sitzen. Als vor Weihnachten einige Mitschüler zurück geflogen sind, haben wir die Abschiede so gut es ging gefeiert und zelebriert. Dabei haben wir gemerkt, dass es gerade wegen Corona etwas ganz Besonderes war, das wir zusammen erlebt haben. Diese Abende haben uns dankbar gemacht. Dankbar, diese Menschen getroffen zu haben. Dankbar, dass Gott uns hier einzelne, wertvolle Menschen über den Weg geschickt hat.

 

Do they know it's Christmas time?

Die Weihnachtszeit begann für uns mit einem Dämpfer. Zwei Wünsche, die wir für diese Zeit hatten, gingen nicht in Erfüllung. Zum einen wollten wir uns über die Feiertage sehr gern an einem Projekt für Obdachlose beteiligen, zum anderen hätten wir ein paar Tage für uns in einer Airbnb echt gut gebrauchen können. Beides war aufgrund von Corona nicht möglich. Trotzdem war dies Zeit besonders für uns: Wir konnten wieder an Gottesdiensten teilnehmen und so die verschiedenen Gemeinden der Stadt ein wenig kennenlernen. Zu dem wurde der Lockdown (zwar nur für kurze Zeit) gelockert, so dass wir das schöne Brighton ein wenig erkunden konnten. Wir beteiligten uns am "Prayer Chair", einem Gebetsangebot in der Innenstadt und halfen bei einem Children Club in einem sozial etwas schwächeren Stadtteil mit. Und was wir auch festgestellt haben: Weihnachtsstimmung können sie in England!

 

Von Truthahn bis Christmas Cake

Kandidatenzeit bedeutet nicht nur Englisch auffrischen, sondern auch kulturelle Erfahrungen sammeln, an unserer interkulturellen Kompetenz arbeiten. Das konnten wir bisher kaum, doch wie sich herausstellen sollte, bekamen wir dafür in der Adventszeit sehr viel Zeit. Und zwar Zeit mit unserer Hostmum, Mary. Als die Maßnahmen um Weihnachten herum wieder angezogen wurden, war klar, dass wie Weihnachten mit ihr verbringen würden. Was für uns anfangs herausfordernd war, stellt sich im Endeffekt als sehr wertvoll heraus. Wir lernten sie nochmal ganz neu kennen, da wir im Alltag nicht viel Zeit mit ihr verbringen können. Und vor allem lernten wir ganz viel englische Kultur kennen und schätzen. Es war definitiv anders als Weihnachten zuhause, aber es war auch ein Privileg,  eine andere Kultur so hautnah miterleben zu dürfen. 

 

 

Und dann der Knall

Eine Einbahnstraße, verschlossene Tore und eine Sackgasse. Diese Bilder beschreiben perfekt, wie der Start in das neue Jahr für uns aussah. Dass nach Weihnachten die Corona-Situation im Land wieder angespannter werden würde, damit hatten wir fast gerechnet. Doch was dann kam, damit konnte keiner rechnen: Eine neue Mutation des Coronavirus und zwar hier in England. Besorgte Nachrichten erreichten uns aus Deutschland: "Ist bei euch alles ok?" Ehrlich gesagt haben wir das Ganze auch nur aus den Medien mitbekommen. Aber als die Maßnahmen immer strenger wurden, alle Flüge nach Europa gecancelt wurden und nicht mal mehr die Post nach Europa geliefert wurde, hatten wir doch schon auch ein seltsames Gefühl. Jetzt befinden wir uns seit dem 26. Dezember wieder in einem "Lockdown".

 

Eigentlich dachten wir, dass 2021 alles anderes werden würde. Für das neue Jahr waren wir hoffnungsvoll: Hoffentlich neue Mitstudenten (nachdem die alten fast alle abgereist sind), hoffentlich Möglichkeiten in sozialen Projekten mitzuarbeiten, hoffentlich weniger Corona. Doch dann wurde die Schule zunächst auf halbtags gekürzt und dann schließlich ganz geschlossen. Es wurde ein erneuter "kompletter" Lockdown bis Mitte/Ende Februar bekanntgegeben. Schulen mussten schließen, das öffentliche Leben wurde weiter eingeschränkt. Die Schule - mit der Hauptgrund, warum wir hier nach England gekommen waren - geschlossen. Und damit war unser Aufenthalt hier als Ganzes stark in Frage gestellt.

 


Bitte wenden

Nachdem unsere Schule keinen Online-Unterricht anbieten konnte und der Ausblick, hier in zwei kleinen Zimmern für die nächsten 6 - ??? Wochen zu sitzen, nicht wirklich ermutigend war, war klar: es wird sich etwas ändern. Gemeinsam mit der Liebenzeller Mission haben wir die ein oder andere Option in Betracht gezogen. Beispielsweise hätte es die Möglichkeit gegeben, auf eine YWAM-Base zu ziehen und dort mitzuarbeiten. Wir haben auch diese Option in Betracht gezogen, dann aber auch gemerkt, dass dies nicht unser Weg ist. Der Pfeil zeigte zurück Richtung Deutschland. Es waren unglaublich aufregende Tage. Und wieder einmal hieß es, eine Entscheidung zu treffen. Wieder abzuwägen, wieder Gott zu fragen.

Wir beschlossen in Übereinstimmung mit der Liebenzeller Mission, die Rückreise anzutreten. Mindestens 6 Wochen im Lockdown und damit in totaler sozialer Isolation zu verbringen, ist nicht zielführend für uns. Lieber den Abschnitt England vorerst abschließen und vielleicht dann nochmal einen Anlauf starten, wenn sich die Lage beruhigt hat. Und so werden wir in ein paar Tagen nach Hause fliegen, uns in Quarantäne begeben und irgendwie versuchen zu verarbeiten. Wir sind dankbar für die Liebenzeller Mission, unsere Familien und Freunde, die uns mittragen und uns an so vielen kleinen Stellen helfen und unterstützen.

 

 

"Gott lenkt nicht nur unsere Schritte, sondern er plant auch die Wartezeiten und die leeren Räume des Stillstehens."

 

- Georg Müller -

 

Bei vielem, was uns im Zuge all dessen beschäftigt, und den Fragen, die immer wieder in uns aufkommen, hilft uns die Perspektive, die dieses Zitat eröffnet, das uns ein guter Freund neulich geschickt hat. "Wozu waren die zwei Monate in Brighton gut?" "Warum muss unser Weg so holprig sein?" "Wie gehen wir mit Enttäuschungen um?" "Woran machen wir unsere Zuversicht fest?" Wir können die Frage nach dem Warum bei vielem nicht beantworten und wissen auch bei vielem noch nicht, wozu das alles gut sein soll. Aber wir möchten immer mehr lernen, Gott in all dem zu vertrauen. Dass er weiß, was wir für Malawi brauchen. Und, dass er auch weiß, wie viel er uns zumuten kann. Wir sind gespannt, was uns noch alles erwartet, bevor es voraussichtlich im Sommer dann nach Malawi geht.