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Vorwärts gehen, rückwärts verstehen

Ist das normal?

Wenn man sich auf den Weg macht, im Ausland zu leben und zu arbeiten, lernt man schnell, dass es “normal” nicht mehr gibt. Es gibt nicht "den einen Weg" und es gibt kein Handbuch, das einem Schritt für Schritt erklärt, wie es weiter geht. So verlief unser Anfang in Malawi ganz anders, als wir uns das noch vor einem Jahr vorgestellt haben. Aber heißt anders immer gleich schlechter? 

Auf Outreach.

Wir sind mittlerweile unterwegs und zwar quer durch Malawi. Zusammen mit einem kleinen Team, bestehend aus 7 verschiedenen Nationalitäten. Wir als Deutsche reisen zusammen mit Menschen aus Malawi, Simbabwe, Burundi, Sambia, DRC und England durch dieses Land, um verschiedene Projekte zu besuchen und Ministrys (= kirchliche Angebote) zu unterstützen. Das ist definitiv "anders". 

 

Und oft bewegen sich unsere Gedanken und Gespräche in der letzten Zeit in Richtung dieser Frage: Wie ist dieses “Anders” jetzt eigentlich? War es eine gute Entscheidung unsere Zeit hier in Malawi bei YWAM zu starten, um unser Englisch aufzufrischen und das ganze schon einen Tag nach unserer Einreise? Ist es zielführend oder eher nicht, die 2-monatige Outreach-Phase mitzumachen, anstatt endlich mal an einem Ort zu bleiben und zu wohnen?

 

Jetzt stecken wir mittendrin. Und bei allem, was wir tun, erleben, genießen, aber manchmal auch ertragen, läuft dieses Analysieren irgendwie im Hintergrund mit. 

Viel erlebt und viel gesehen.

Ganze 4 Wochen sind wir jetzt schon unterwegs, bekommen Einblicke in die Kultur, erleben, wie man Gemeinschaft, Kirche, das Miteinander, Gastfreundschaft in Malawi definiert. Und unterwegs bedeutet nicht nur Minibus. Von Fahrradtaxi, Motorradtaxi, Taxi, Minibus bis hin zum großen Bus erleben wir die ganze Bandbreite, die Malawi im Bereich öffentlicher Verkehrsmittel zu bieten hat.

 

Wir durften bisher schon in vielen Jugendarbeiten mitarbeiten, Dächer decken und Häuser mitbauen, Mädchen und Jugendseminare planen und durchführen, predigen, Zeugnisse erzählen und vor allem eines: Zeit mit Menschen verbringen. Eine Sache, die wir dabei gelernt haben, ist, dass alles stehen und liegen gelassen wird, wenn man zu Besuch kommt. Und, dass man, egal wohin man geht, von Kindern umringt wird und sie es lieben, wenn man Zeit mit ihnen verbringt.

 

Umso frustrierender ist es da, dass wir noch kein Chichewa sprechen können. Natürlich wissen wir, dass jetzt erst mal Englisch dran ist und die Zeit kommen wird, wenn wir uns ganz auf Chichewa konzentrieren können. Und doch nervt es manchmal: Man braucht für alles einen Übersetzer, ist völlig unselbstständig und angewiesen auf die Hilfe anderer.

 

Ist das jetzt gut oder schlecht? Ziel- oder irreführend?

Und für was soll das jetzt gut sein?

Es ist ein ziemliches Hin und Her. Und doch ist diese Frage und dieses Analysieren wichtig, denn es lässt sich leichter kämpfen und durchhalten, wenn man weiß für was es gut ist.

  • JA, es ist enttäuschend und frustrierend, wenn hinter der Freundlichkeit und Offenheit vieler Menschen öfters nur die Suche nach Geld steckt und auf eine herzliche Begrüßung und gute Unterhaltung dann die Frage nach Geld kommt.
  • JA, es ist manchmal anstrengend mit so vielen verschiedenen afrikanischen Nationalitäten auf einem Haufen zu sitzen und zu erleben, wie unsere direkte auf ihre indirekte Kultur prallt.
  • JA, es ist herausfordernd in einfachen und für uns fast prekären Umständen zu leben, ekelerregende "Toiletten" zu benutzen und Unmengen Kakerlaken im Bett zu haben.

ABER: Diese Erfahrungen sind wichtig. Es ist wichtig, zu verstehen, wo Menschen herkommen, und es hautnah zu erleben, wie sie leben, um später mal einen guten Job machen zu können:

  • WENN wir nicht verstehen, dass Entwicklungszusammenarbeit in der Geschichte oft in einseitige Abhängigkeitsverhältnisse geführt hat, werden wir nicht lernen können, wie echte Zusammenarbeit aussehen kann.
  • WENN wir nicht lernen, in einer sehr gegensätzlichen Kultur zu leben und zu kommunizieren, und versuchen, sie zu verstehen und aus ihr zu lernen, werden wir vermutlich keine guten Ansätze finden können bzw. diese Kultur immer verurteilen. 
  • WENN wir nicht zumindest eine Zeit lang in denselben oder ähnlichen Lebensumständen gelebt haben, wie die meisten Malawier, werden wir keine so starken und echten Beziehungen aufbauen können, wie wir es uns wünschen.

Bei anderen Dingen ist es deutlich schwieriger, einen Sinn zu finden, und wir fragen uns dann: Wozu genau müssen wir da jetzt gerade durch? Was machen wir hier eigentlich gerade nochmal? In diesen Fällen kommt oft Frustration auf und wir tun uns schwer damit, es "einfach auszuhalten". Wir versuchen uns dann daran zu erinnern, dass das Leben vorwärts gelebt, aber rückwärts verstanden wird. Und, dass es zu einer fruchtbaren und erfolgreichen Arbeit keine Abkürzungen gibt. Vieles von dem, was wir jetzt noch nicht verstehen können, werden wir in ein paar Jahren mit anderen Augen sehen und verstehen können. 

We walk by faith, not by sight.

Vor allem trägt uns unser Glaube durch diese strapazierenden Erfahrungen und das Versprechen der Bibel, dass Gott keine Fehler macht und uns alle Dinge zum Besten dienen werden, wenn wir ihm vertrauen (Josua 21,45 & Römer 8,28). Wir sind gespannt, wie die verbleibenden 4 Wochen aussehen werden, was wir lernen dürfen und wo es uns noch alles hin verschlägt.