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Zwei Monate durch Malawi

HALLO 2022! 

Wir sind angekommen – zumindest im Jahr 2022. Doch die letzten 4 Wochen waren turbulent und intensiv. Die Frage stand lange im Raum, ob wir nach den 3 Monaten auf der YWAM-Base die Outreachphase noch mit machen sollten. Eigentlich war die Zeit dort nur als Pandemie-bedingter Zwischenschritt geplant. Erst mal noch besser mit Englisch klar kommen, bevor dann die nächste Fremdsprache lauert: Chichewa. 

Geben wir uns das?

Drei Monate können lang sein, vor allem wenn die eigentliche Challenge erst noch wartet, man noch gar nicht wirklich angekommen ist. Sollten wir da wirklich nochmal um zwei Monate verlängern? Wohlgemerkt zwei sehr strapaziöse und anstrengende Monate? Long story short: Wir haben es gemacht. Unter anderem, weil wir nicht wollten, dass die entstandenen Kontakte und Freundschaften zu Malawiern abreisen. Und weil wir es als Chance gesehen haben, dieses Land und seine Menschen näher kennen und vielleicht sogar ein bisschen verstehen zu lernen.

Zu den Erfahrungen, die wir in den ersten 4 Wochen gemacht haben (siehe letzter Blogeintrag), kam dann nochmal einiges dazu. Ein Krankenhauseinsatz, eine Woche im Flüchtlingscamp Dzaleka, Deboras Covid-Erkrankung. Von sehnsüchtigem Warten auf Regen bis zu stundenlangem Schutzsuchen vor Regen, von arbeitsreichen Stunden bis hin zu langweiligem Warten. Wir waren oft sehr einfach untergebracht, doch waren wir dankbar, dass es immer für ein eigenes Zimmer gereicht hat. Mit genügend Wasser, Strom und Hygiene sah es dagegen oft ganz anders aus.

Kenne deine Grenzen

Über Weihnachten hatten wir auch eine Woche Pause. Die mussten wir uns zwar hart erkämpfen und weite Strecken mit dem Reisebus dafür zurücklegen, aber wir haben gelernt, wie wichtig diese Zeit war. Und was für ein Gamechanger Auszeiten in unserem Leben sind. Und dass man diese planen und im schon im Vorfeld festsetzen sollte. Natürlich war es nicht einfach von warmer Dusche und eigener Küche wieder zurück zu Plumsklo und Everyday-Maisbrei zu gehen. Aber wir haben auf einmal gemerkt, wie fertig wir wirklich nach den ersten 4 Wochen waren. Wie niedrig unser Energielevel am Anfang und wie aufgefüllt unser Tank am Ende dieser Pause war.

Eine Woche im Flüchtlingscamp

Die wohl eindrücklichste Location war das eine Stunde nördlich von Lilongwe gelegene Flüchtlingscamp „Dzaleka“, in dem ca. 50.000 Geflüchtete u.a. aus Burundi, Ruanda und der demokratischen Republik Kongo leben. Auch drei unserer Teammitglieder nennen dieses Camp ihr momentanes „Zuhause“ und so war für sie Nach-Hause-Kommen, was für uns und auch die Malawier in unserem Team eine völlig neue Welt darstellte. 

 

YWAM hat in Dzaleka seit kurzem eine Base und versucht durch verschiedene Projekte geflüchtete Menschen über Kulturgrenzen hinweg zusammenzubringen, ihnen Hoffnung zu geben und durch den christlichen Glauben eine echte Perspektive zu schenken. Wir haben diese Arbeit unterstützt und ganz nebenher unser Leben am Rande des Camps, ohne Strom und Supermarkt gemeistert.

Wir haben Witwen besucht, Menschen mit Behinderung getroffen und ermutigt, Kinderprogramme durchgeführt, mit Jugendlichen Fußball gespielt, auf dem Feld gearbeitet und viele Hausbesuche gemacht. 

 

Wir haben unter mehr als 100 Kirchen im Camp einzelne besuchen können und gesehen, wie diese Gottesdienste Menschen zusammenbringen und ihnen trotz oft aussichtsloser Situationen Kraft und Perspektive geben. Im Gegensatz zu manch anderer Gemeinde oder manch anderem „Pastor“, die selbst unter diesen Umständen Menschen verblenden, sie klein halten und vor allem sich selber dabei bereichern möchten.

Das war mit das Herausforderndste in dieser Zeit, zu sehen, wie Kirchen kulturelle Konflikte befeuern, anstatt durch das interkulturelle Wesen des Evangeliums Menschen zu vereinen, wie selbst unter Christen Vorurteile vorherrschen und die Gräben zwischen Stämmen, zwischen Nationalitäten, zwischen Denominationen und auch Religionen vertieft anstatt überbrückt werden.

 

Apropos Gräben. Stark eingeprägt haben sich uns natürlich auch unzählige Bilder, Szenarien und Situationen, die wir bei den vielen Wegen durch das Camp wahrgenommen haben. Müllberge, im Regen spielende Kinder und ganz besonders die durch Erosion hervorgerufenen Schluchten und Gräben.

Beneath the Surface

Eine Woche ist in der Tat keine lange Zeit. Vor allem nicht, um einen Ort wie Dzaleka wirklich kennenzulernen. So bleiben viele Eindrücke oberflächlich und viele Geschichten hinter den Gesichtern unerzählt. Nicht zuletzt aufgrund der multiplen Sprachbarriere: Wir sprachen kein Französisch, Chichewa oder Swahili. Sie kein oder nur wenig Englisch. 

 

Ja, wir haben viel Armut gesehen und Menschen getroffen, die in einer Art und Weise leben, wie wir sie vermutlich keine 4 Wochen aushalten würden. Und dazu sind diese Menschen komplett entwurzelt von ihrer Heimat und oft völlig desillusioniert, was ihre Zukunft angeht. Das war oft nicht einfach, doch wir haben durch den direkten Kontakt und das Zusammenleben mit den Menschen auch etwas gelernt. Und zwar, dass die Leute in Dzaleka in erster Linie nicht geflüchtet, arm oder bemitleidenswert sind, sondern dass sie in erster Linie Menschen sind. Menschen mit einem Leben, das durch mehr definiert wird, als auf das Label „arm“ und „bedürftig“ passt.

Zwischen Normalität und Geschocktsein

Was man sieht, wird dadurch nicht weniger schockierend. Wenn Debora als Krankenschwester beim Krankenhauseinsatz durch die Räume läuft, die Schlangen vor den Behandlungszimmern sieht und dabei weiß, was man in Deutschland alles für diese Patienten tun könnte, dann ist das nach wie vor schwer zu ertragen. Aber der Blick wird differenzierter, wenn man diese Menschen als Gegenüber kennen und schätzen lernt.

 

Wir sind immer noch dabei, Eindrücke zu verarbeiten, uns selber zu reflektieren, Gefühle und Reaktionen zu hinterfragen. Bei vielem stehen wir dabei noch ganz am Anfang und wissen oft selbst nicht, wie wir Dinge einordnen oder verstehen sollen. Dieser Outreach hat uns in dieser Hinsicht viele Aufgaben mitgegeben, manches, worüber wir schmunzeln, manches, was uns nachdenklich macht. Aber er hat uns vor allem auch müde gemacht. Daher sind wir froh vor unserem nächsten Step – dem Sprachstudium – noch ein bisschen frei zu haben.